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Warum am 11.11. der Karneval beginnt und nicht die Fasnet

Die meisten schwäbisch-alemannischen Narren befinden sich noch in der Winterpause, denn für sie beginnt die Fasnet erst am Dreikönigstag. Und dennoch regt sich bei der einen oder anderen Zunft schon ein erster närrischer Keim. Schließlich waren Karneval und schwäbisch-alemannische Traditionsfasnet Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts noch einmütig vereint. Erst die Rückbesinnung auf die „alten Wurzeln“ der Fasnet durch die Zünfte nach dem I. Weltkrieg tilgte dann den karnevalesken Teil der närrischen Umtriebe. Die Volkskundler und der Verbandsoberen in den 1930er-Jahren hatten die „völkischen“ Aspekte der Fasnet im Auge und tilgten durch Verordnungen der Nazi-Organisation „Kraft durch Freude“ sogar den Buchstaben „t“ aus dem Wort Fastnacht. Schade eigentlich, denn gerade diese Buchstabe liefert den Beweis dafür, dass es sich bei der schwäbisch-alemannischen Fasnet, wie auch bei Karneval, um ein Schwellenfest vor der vierzigtägigen Fastenzeit vor Ostern handelt.
In dieser entbehrungsreichen Zeit war der Verzehr von allen Produkten warmblütiger Tiere verboten. Kein Fleisch, keine Wurst, kein Käse, keine Milch, keine Eier .....
Kein Wunder also, dass vor der Fastenzeit noch einmal ausgiebig gegessen, getrunken und gefeiert wurde.

Kein Häs zur Adventsfastnacht
Dennoch trauen sich Funkenmariechen. Garden und Elferräte am 11.11. auf die Straße. Wulf Wager, Brauchtumsexperte und Herausgeber der Zeitschrift „Narri-Narro“ erklärt die vorweihnachtliche Karnevalseskapade: „Eine Fastenzeit mit ebenso strengen Regeln wie in der vorösterlichen Bußzeit gab es mit dem Advent auch vor Epiphanie. Die begann nach dem 11.11. und endete nach 56 Tagen an Epiphanias (6.1.). Zudem war der 11.11. auch noch ein Dienstbotenwechseltag (natürlich mit Zahltag). Grund zu feiern also für die bäuerliche Bevölkerung. Schließlich begann am 11.11. auch ein neues Wirtschaftsjahr. Zu diesem Termin waren zudem auch Pacht und Zins fällig. Geld war da, ein letztes Mal durfte gefeiert werden.“

Der 11.11. gilt vor allem als Auftakt des rheinischen Karnevals mit seinen Hochburgen Köln und Düsseldorf. Der Fasnetsbeginn am 6.1. schließt an manchen Orten eine kleine Veranstaltung am 11.11. nicht aus, aber für einen echten Narren schwäbisch-alemannischer Gesinnung kann der 11.11. niemals die Bedeutung des 6.1. erlangen. Zumindest gibt es auch heute noch dringende Aufrufe der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte, Fasnetsveranstaltungen am 11.11. zu unterlassen. Das Häs darf erst am 6.1. aus der Truhe geholt werden.

Zahl 11
Die Elf gilt seit dem Mittelalter als närrische und dadurch unchristliche Zahl. Sie ist um eins größer als die Zehn Gebote und um eins kleiner als die Zahl der Jünger von Jesus.
Die Fastnacht dient im Prinzip als Darstellung einer Welt, in der die alltägliche und gewöhnliche Ordnung aufgehoben oder überschritten wird. Daher liegt es nahe, dass auch die Zahl "11" etwas mit dieser Normüberschreitung zu tun haben könnte. Und in der Tat, in der christlichen Mythologie verweist die Zahl "11" immer entweder auf die Sünde, wobei sie bei den Narren wohl manchmal richtig liegt, oder auf die letzte Stunde, die geschlagen hat. So ist die Uhr, deren Zeiger auf elf oder kurz vor zwölf steht, ein Zeichen der Vergänglichkeit.

Irrdeutungen
Einige Wissenschaftler sehen bei der Zahl Elf einen Zusammenhang zu den Anfangsbuchstaben der Worte „Egalité, Liberté, Fraternité", dem Motto der französischen Revolution. Doch es gibt noch andere Erklärungen, warum sich ausgerechnet die Elf als Zahlensymbol für den Karneval durchgesetzt hat.
Andere vermuten die Wurzeln etwa in dem alten Narrenspruch „Ey lustig fröhlich“, der erstmals 1381 auf einem Siegel in Kleve nachgewiesen wurde.
„Beide Theorien stehen allerdings in keinerlei Kontext mit dem kulturhistorischen Hintergrund der Fastnacht und müssen bezweifelt werden“, so Wager weiter.

Paragraf 11 – Es wird fortgesoffen
Immer wieder begegnet einem in der schwäbisch-alemannischen Fasnet ein Paragraf 11. Den Rücken der beiden Schömberger Husaren ziert der geheimnisvolle Hinweis auf einen Paragrafen 11 ebenso wie den Schild des Neuen Gole aus Riedlingen oder die Narrenfahne der Endinger Narrenzunft von 1929. Weitere bildliche Hinweise aus Furtwangen und anderswo liegen vor. Doch was verbirgt sich hinter dem geheimnisvollen Regelwerk? Das deutsche Strafgesetzbuch hilft nicht, denn dort ist unter dem Paragrafen 11 zu lesen: „Wer zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einer dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht seiner einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, handelt nicht schuldhaft.“

Bei vielen geselligen Zusammenzünfte der Narrenzünfte, z.B. in Laufenburg, ertönt am Ende der Ruf: „Im Namen der Zunftordnung: Eine nähme mir no, denn gönn mir heim!“ Aber in der Laufenburger Zunftordnung ist kein Paragraf 11 bekannt, der einen direkten Hinweis geben könnte.

Und doch hat der Paragraf 11 mit zünftischem Brauch zu tun. Denn er bezieht sich auf kein Gesetz, sondern auf einen alten Handwerksbrauch. Früher war es üblich, dass wandernde Gesellen unter keinen Umständen ihre Walz unterbrechen durften. Der Paragraf 11 legte das in vielen alten Handwerksordnungen (etwa in einer Gesellenordnung aus dem Jahr 1815) fest: „Es wird weitergewandert“, egal aus welchem Grunde man auch nach Hause gerufen wird.

Studenten haben in ihrem Bemühen, alles denkbare Regelwerk scherzhaft zu kopieren und zu verulken, auch diese Regelung aufgegriffen und umgedeutet. Der Paragraf 11 lautete fortan: „Es wird fortgesoffen“, egal was einen nach Hause rufen könnte. So findet sich dieser Paragraf in nahezu allen „Bierkommenten“, die die Besäufnisse studentischer Verbindungen regeln. So auch im „Allgemeinen Deutschen Bierkomment“ von 1899. Auch auf Bildern von Rekruten vom Beginn des 20. Jahrhunderts findet man immer wieder den Paragrafen 11, der mit Kreide auf ein Bierfässle geschrieben wurde, fotografisch festgehalten.

Fazit: Wer diesen Paragraf 11 befolgt, muss danach trachten, nicht mit dem Paragraf 11 des Strafgesetzbuches in Berührung zu kommen.


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